Schon einmal Dampf abgelassen in einer E-Mail? Und es hinterher bereut? – So kann es anders und auf konstruktive Weise gehen:
Manchmal bringen uns unsere Kolleg:innen ja auf die Palme. Dann juckt es in den Fingern, eine Nachricht zu schreiben, die randvoll mit Ärger ist. Dass dadurch die Probleme eher zunehmen, erkennen wir oft erst, nachdem wir die E-Mail abgeschickt haben. Hier ist ein Beispiel dafür:
Liebe Frau Schub,
bitte hören Sie auf, stets und ständig an einen großen Verteiler zu schreiben, um Ihrem Anliegen mehr Gewicht zu verleihen. Mehr Leute bedeutet nicht mehr Hilfe. Und by the way: Ich habe mit den Updates auf der Plattform nichts zu tun. Schreiben Sie dem Mond, wenn Ihnen das Design nicht gefällt. Außerdem fände ich es schön, wenn Sie Ihren nörgelnden Tonfall ändern, den man auch in Ihren E-Mails deutlich heraushört.
Mit freundlichen Grüßen
…
In dieser Nachricht stecken viele Verstärker, aus denen unser Ärger spricht: „stets und ständig“, „by the way“ oder „schreiben Sie dem Mond“. Außerdem enthält er die herabsetzende Bewertung „nörgelnder Ton“. Unsere Empörung mag in diesem Fall sehr begreiflich sein: Frau Schub ist Wiederholungstäterin und erschwert sowohl uns wie auch anderen unnötig die Arbeit. Die Frage ist: Wie wird sie wohl auf diese E-Mail reagieren? Einsichtig? Entgegenkommend? Hilfsbereit? – Mit Sicherheit auf keine dieser Weisen.
Wie können wir in einer solchen Situation konstruktiv reagieren?
Zunächst kann es sehr hilfreich sein, die oben stehende E-Mail tatsächlich einmal abzutippen und sie uns selbst zuzusenden. So können wir diskret unseren Dampf ablassen und haben später etwas, worüber wir uns amüsieren können.
Danach setzen wir uns in Ruhe an eine zweite Mail. In dieser nutzen wir unser Gefühl nicht als Tinte für den Text, sondern als Wegweiser für die folgenden vier konstruktiven Aspekte: Wir konzentrieren uns (1) auf die Beschreibung des Verhaltens, das uns stört, (2) auf seine Folgen, (3) auf die betroffenen Bedürfnisse – unsere eigenen und die der anderen Person – und schließlich (4) auf unsere Bitte. Dabei drücken wir klar und direkt aus, was wir denken und was wir uns wünschen von der Empfängerin. Und das könnte so aussehen:
Warum nicht. | Foto: byrdyak | Freepik.com
Liebe Frau Schub,
ich möchte Sie um etwas bitten, das mir sehr wichtig ist.
Sie schreiben häufig an den großen Verteiler. Vielleicht liegt dies daran, dass Sie Ihren Anliegen so mehr Gewicht verleihen wollen. Das verstehe ich grundsätzlich. Tatsächlich führt dies aber dazu, dass bei den meisten Empfänger*innen Mehrarbeit durch das Öffnen und Lesen entsteht und sich somit die Arbeitslast erhöht, da diese in der Regel nicht vom Inhalt betroffen sind. Ein Beispiel: Mit den Updates auf der Plattform und dem Design habe nichts zu tun. – Gleichzeitig erhöht sich nicht die Hilfe, die Sie erhalten. Kurz: Wir bekommen alle nicht, was wir brauchen.
Ich möchte Sie daher bitten, mitzuhelfen, unsere Arbeitslast zu senken und Ihre E-Mails gezielt an die Personen zu schicken, die Ihnen helfen können.
Mit herzlichem Dank und mit besten Grüßen
…
In dieser Nachricht sind die Beschreibung des Sachverhalts, seine Folgen, die dahinter stehenden Bedürfnisse und unser Wunsch klar artikuliert. Es wird deutlich, was wir wollen und wie wichtig es uns ist. Der Text ist frei von Bewertungen und das Motiv der Empfängerin (ihrem Anliegen mehr Gewicht zu verleihen) ist als Vermutung und nicht als Unterstellung formuliert.
Den Hinweis auf den „nörgelnden Ton“ sparen wir uns fürs Erste. So können wir das, woran uns bei unserem Feedback am meisten liegt, stärker in der Vordergrund rücken. Damit wäre sicherlich schon viel gewonnen: Zeit für alle Beteiligten.
Soweit ein Vorschlag von unserer Seite. Was ist Ihr Eindruck von dieser E-Mail: Wären Sie einverstanden damit? Wie würden Sie Ihr Anliegen formulieren?
Titelbild by Berlin Alley & cookie_studio via freepik.com